Veranstaltung: | 56. Landesversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 10. Weitere Anträge (V-Anträge) |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesversammlung |
Beschlossen am: | 25.03.2023 |
Eingereicht: | 17.04.2023, 16:10 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Mehr Geschlechtergrechtigkeit in Sachsen
Beschlusstext
Sachsen - Männerland? Wie viele ostdeutsche Bundesländer hat Sachsen seit den
90er-Jahren viele Menschen, insbesondere Frauen durch Abwanderung verloren. Wenn
wir nachhaltig in die Zukunft unseres Freistaates investieren wollen, dann
müssen wir in Frauen und Vielfalt, in Chancengerechtigkeit und in Gleichstellung
investieren. Denn es hat Auswirkungen auf eine Gesellschaft, auf eine Region,
wenn Frauen fehlen. Ein Anstieg fremdenfeindlicher Einstellungen lässt sich
ebenso nachweisen wie ein Anwachsen der Wahlergebnisse rechter bis
rechtsextremer Parteien. Deren Programmatik von Ungleichheit und Angst ist das
Fundament einer jeden patriarchalen und ausschließenden Gesellschaftsidee. Es
ist daher ein Gewinn für alle Sächs*innen, wenn wir nachhaltig in
Geschlechtergerechtigkeit investieren.
Mit der Verantwortung für das Gleichstellungsressort innerhalb der sächsischen
Staatsregierung sind wir 2019 einen logischen Schritt gegangen: Wir übernehmen
Verantwortung für jene Themenfelder, die in unserer Partei-DNA tief verwurzelt
sind. Mit Katja Meier als sächsische Gleichstellungsministerin haben wir eine
überzeugte Feministin an der Spitze, die sich themenfeldübergreifend für
Geschlechtergerechtigkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen einsetzt.
Gleichstellung und die Förderung von Vielfalt sind Querschnittsthemen, die in
allen Lebensbereichen relevant sind. Die BÜNDNISGRÜNE Gleichstellungspolitik in
Sachsen seit 2019 macht jetzt bereits einen Unterschied: Paradigmenwechsel in
der Finanzierung des Gewaltschutzes, sichere Förderung der Gleichstellungsarbeit
und neue Förderinstrumente, um die wirtschaftliche Teilhabe von Frauen zu
stärken.
Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen ist ein zentrales politisches Ziel von
uns BÜNDNISGRÜNEN, ebenso wie die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt: trans*,
inter und nicht-binäre Menschen sollen gleichberechtigte Teilhabe in erhalten.
Wir arbeiten für eine geschlechtergerechte Gesellschaft und die bewusste
Einbeziehung von gesellschaftlich diskriminierten oder benachteiligten Gruppen.
Die Gleichstellung aller Geschlechter und Chancengerechtigkeit für alle Menschen
ist eines unserer Grundanliegen sowie eine fundamentale Bedingung für unsere
Demokratie. Dafür müssen strukturelle Benachteiligungen beseitigt und alle
Geschlechter wirksam vor Diskriminierung geschützt werden. Deswegen wollen wir
Gleichstellung aktiv fördern, das heißt die Ressourcen dafür zur Verfügung
stellen.
Geschlechterpolitik darf nicht losgelöst von anderen Benachteiligungen gedacht
werden. BÜNDNISGRÜNE Gleichstellungspolitik ist intersektional und achtet
insbesondere auf Mehrfachdiskriminierungen.
1. Gleichstellungsstrukturen in Sachsen sichern und weiterentwickeln
Die sächsischen Gleichstellungsinitiativen im ganzen Land, vom Vogtland bis nach
Görlitz, leisten jeden Tag wichtige Arbeit für mehr Geschlechtergerechtigkeit in
Sachsen, für eine gleichberechtigte politische Teilhabe, für
Entgeltgerechtigkeit und geschlechtergerechte wirtschaftliche Teilhabe, für mehr
Schutz vor häuslicher, sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt, für
einen geschlechtergerechten Strukturwandel, für stereotypenfreie Berufswahl. Sie
tragen die klare und unmissverständliche Botschaft jeden Tag wieder neu ins
Land: Frauenrechte und Rechte queerer Personen sind Menschenrechte!
Doch wir sind noch nicht am Ziel. Noch immer dominieren Männer sowohl die
politischen als auch die wirtschaftlichen Entscheidungsstrukturen. Noch immer
werden sogenannte "Frauenberufe" zwar als systemrelevant eingestuft, aber
schlechter bezahlt. Noch immer ist jede dritte Frau einmal in ihrem Leben von
geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen. Ebenso sind queere Menschen andauernd
Angriffen und Diskriminierung ausgesetzt. Wer aber benachteiligt wird oder in
Angst lebt, kann die eigenen Fähigkeiten nicht frei entfalten. Zur Umsetzung
unserer Gleichstellungsziele ist es unablässig, die zahlreichen Netzwerke und
professionellen Vereine, welche mit ihren vielen Ehrenamtlichen wertvolle Arbeit
für unsere Gesellschaft leisten, strukturell zu stärken und mit besseren Mitteln
auszustatten. Aus diesem Grunde fordern wir:
- eine umfassende Sächsische Gleichstellungsstrategie für Freistaat und
Kommunen
- die Gründung einer Sächsischen Gleichstellungs-Stiftung als Stiftung des
öffentlichen Rechts und Dachstruktur für Gleichstellungsarbeit in Sachsen,
die eine eigenständige Basis für Qualitätssicherung und
Professionalisierung der Arbeit und die transparente Fördermittelvergabe
schafft
- die zuverlässige Finanzierung der Gleichstellungsarbeit durch den Aufbau
einer institutionellen Förderung mit Hilfe gesetzlicher Regelungen
- die angemessene Bezahlung der mit diesem staatlichen Auftrag betrauten
Fachkräfte entsprechend TVöD/ TV-L in ihrer Qualifikation, um ihre
kontinuierliche Arbeit in den Strukturen zu sichern
- die wissenschaftliche Weiterentwicklung der Gleichstellungsarbeit aus
Sachsen heraus mit einem Lehrstuhl für Gleichstellungsforschung an einer
sächsischen Universität zur Verbesserung von Evaluierung und Monitoring
- die Einführung eines Sächsischen Antidiskriminierungsgesetzes zum Schutz
vor Diskriminierung durch staatliche Stellen (außerhalb der Geltung des
AGG) und die Unterstützung entsprechender bundesgesetzlicher Initiativen.
2. Reproduktive Gerechtigkeit und geschlechtersensible Gesundheitversorgung
Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und reproduktive Gerechtigkeit ist
elementar für die Gleichberechtigung der Geschlechter, denn es geht um nicht
weniger als über den eigenen Körper und das eigene Leben zu entscheiden.
Langfristig bleibt daher der Widerstand gegen die Kriminalisierung von
Schwangerschaftsabbrüchen und die Forderung nach einer Regelung des
selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches ein
wesentlicher Teil der Frauenbewegungen und von uns BÜNDNISGRÜNEN. Aber
Entkriminalisierung allein sichert noch nicht die Versorgung. Es braucht neben
dem Zugang zu wohnortnahen Beratungs- und Versorgungsstrukturen ebenso
erschwingliche, wahlfreie Verhütungsmittel sowie eine selbstbestimmte, sichere
Schwangerschaft und Geburt. Reproduktive Gerechtigkeit bedeutet aber auch, dass
Menschen ohne jede Diskriminierung ihre Sexualität ausleben und entscheiden
können, ob und wie sie Kinder bekommen. Auch für gleichgeschlechtliche Paare
braucht es die Möglichkeit zur selbstbestimmten Elternschaft sowie zur
gleichberechtigten Kinderwunschbehandlung.
Diskriminierungsfreie und geschlechtersensible Gesundheitsversorgung bedeutet
auch, dass alle Geschlechter auf ihre unterschiedlichen Bedürfnisse hin
behandelt werden und diese sich nicht an einem nicht existierenden
Durchschnittsmenschen orientiert.
Menschen, die trans, inter und nicht-binär sind, haben individuelle Bedürfnisse
und ihnen muss ohne Stigmatisierung eine bedarfsgerechte Behandlung angeboten
werden. Hier kommt Sachsen eine besondere Verantwortung zu, da zunehmend trans,
inter und nicht-binäre Personen aus Polen und Tschechien in Deutschland
medizinische Unterstützung suchen, welche sie in ihrem Herkunftsland aufgrund
diskriminierender Strukturen nicht erhalten.
Die Gesundheit und Lebenserwartung von Männern in Sachsen ist
unterdurchschnittlich und geprägt von patriarchalen Rollenbildern. Wir
BÜNDNISGRÜNE nehmen die Herausforderung, dies zu ändern, im Rahmen unserer
Gleichstellungsarbeit an. Die gesundheitliche Vorsorge für Männern und
psychosoziale Hilfe sind entscheidende Faktoren dabei und wirken positiv
intersektional.
Deshalb fordern wir:
- selbstbestimmte Schwangerschaft und Geburt mit einer gleichberechtigten
Kinderwunschbehandlung ohne Diskriminierung, insbesondere von
gleichgeschlechtlichen Paaren
- freie Wahl und sozial gerechte Kassenfinanzierung der Verhütungsmittel
- Verbesserung der geschlechtersensiblen Gesundheitsversorgung,
Unterstützung der Forschung und Veröffentlichung in diesem Bereich sowie
eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit
- ein flächendeckendes Angebot von kostenlosen Periodenprodukten in
öffentlichen Gebäuden und Schulen zur Verbesserung der menstrualen
Gesundheit und Hygiene
- wohnortnahe Beratungs- und Versorgungsstrukturen für Menschen in
Schwangerschaftskonfliktsituationen sowie Schwangerschaftsabbrüche als
Kassenleistung mit einer freien Wahl der Methode
- flächendeckende, diskriminierungsfreie und geschlechtersensible
Gesundheitsversorgung für trans, inter und nicht-binäre Menschen durch
mehr Fachärzt*innen, insbesondere in ländlichen Regionen
- niedrigschwellige und gezielte Gesundheitsversorgung für Männer,
insbesondere im Bereich der Vorsorge und bei Angeboten psychosozialer
Hilfe sowie die Förderung der Inanspruchnahme dieser Angebote, um ihre
Gleichstellung bei Gesundheit und Lebenserwartung zu erreichen.
3. Gerechte politische Teilhabe
Es ist eine grundlegende Frage von Gerechtigkeit, dass Frauen in unserer
Demokratie nicht nur mitwählen, sondern auch angemessen repräsentiert im
Parlament entscheiden. Frauen sollten sich niemals mit weniger als der Hälfte
der Macht zufrieden geben. Denn es macht einen Unterschied, wie beispielsweise
über Verkehrspolitik, über Strukturwandel oder die Bedingungen in der
Kindertagespflege gesprochen wird, wenn Frauen mit am Tisch sitzen. Perspektiven
werden gehört, Lebensrealitäten abgebildet, die wir für die Zukunft Sachsens
dringend brauchen.
Der sächsische Landtag belegt mit einem Frauenanteil von nicht mal 30 %
bundesweit den vorletzten Platz. Der Blick auf die vielen Kommunalparlamente in
Sachsen macht den Handlungsdruck noch einmal deutlicher. Dies muss klarer
Auftrag an alle demokratischen Parteien in Sachsen sein, hier gemeinsam an einer
Lösung zu arbeiten. Die partei- und professionsübergreifende Zusammenarbeit in
der von Gleichstellungsministerin Katja Meier gegründeten Kommission zur
gleichberechtigten Teilhabe von Frauen an Wahlämtern war hier ein sehr guter und
deutschlandweit einzigartiger Startpunkt. Gemeinsam mit Vertreter*innen aus
Zivilgesellschaft, Forschung und Politik wurden viele verschiedene Maßnahmen
entwickelt, um den Anteil von Frauen in den Parlamenten zu erhöhen. Dazu gehört
auch, aus den verfassungsgerichtlichen Erfahrungen in Thüringen und Brandenburg
zu lernen und rechtssichere Vorschläge für gesetzliche Regelungen zu erarbeiten.
Wir machen weiter! Denn eines ist klar - und das beweisen die Parteien, die
feste Quoten haben - die Frauenquote wirkt.
Geschlechtliche Vielfalt ist Realität in Sachsen - und umfasst mehr als nur
Männer und Frauen. Diesen Anforderungen muss sich ein modernes Paritätsgesetz
ebenso stellen, wie es einer differenzierten Betrachtung und einen Abbau von
Hürden für Beteiligung unterrepräsentierter Gruppen in der Politik bedarf.
Deshalb fordern wir:
- Entwicklung gesetzlicher Regelungen auf dem Weg zur Parität bis hin zu
einem modernen Paritätsgesetz zu begleiten
- Verbesserung der Rahmenbedingungen der politischen Arbeit, insbesondere in
der ehrenamtlichen Kommunalpolitik, damit sie für alle Geschlechter und
alle Altersgruppen möglich ist
- kontinuierliche Unterstützungsmaßnahmen für politisch Aktive aus
unterrepräsentierten Gruppen, eine aktive Arbeit am Abbau
diskriminierender Strukturen sowie Empowerment und stärkere Sichtbarkeit
- den konsequenten Kampf gegen männliche sexistische Verhaltensmuster in der
Politik und unserer Partei
- Frauen in der Verwaltung weiter zu fördern und ihren Anteil an
Führungspositionen nachhaltig zu erhöhen
- Wir setzen uns dafür ein, dass Tarifstufenlaufzeiten in der Elternzeit
weiterlaufen.
- eine geschlechtergerechte und diskriminierungsfreie öffentliche
Kommunikation der Verwaltung für alle Geschlechter.
4. Geschlechtersensible und diskriminierungsfreie Bildung
Die sächsische Bildungslandschaft trägt eine eigenständige Verantwortung für
eine demokratische und geschlechtergerechte Gesellschaft. Seit vielen Jahren
bleibt die Umsetzung hinter diesem Verfassungsziel zurück. Ausbildungs- und
Studienangebote für alle Geschlechter müssen in ganz Sachsen attraktiver und
familienfreundlicher werden. Stereotype bei der Berufswahl wollen wir dabei
systematisch abschaffen. In allen Bildungskontexten müssen sich
Gleichstellungsinhalte wiederfinden, von der Kita über die Schule bis hin zu
Fortbildungsangeboten in der Arbeitswelt und für Senior*innen.
Auf dieser Basis soll Bildung, insbesondere zu sexueller und geschlechtlicher
Selbstbestimmung, Empowerment und Resilienz gegenüber Angriffen und Gewalt
bereits bei Kindern gefördert werden. Das ist Konsens in der
Erziehungswissenschaft, bei Elternvertretungen, Schüler*innenvertretungen sowie
NGOs wie beispielsweise dem Weissen Ring e. V.
Deshalb fordern wir:
- geschlechtersensible und Antidiskriminierungsinhalte in Aus-, Fort- und
Weiterbildung für Beschäftigte im Bildungswesen mit verpflichtenden
Inhalten zu sexueller und geschlechtlicher Selbstbestimmung nach
wissenschaftlichen, bundesweit geltenden Standards und deren staatliche
Unterstützung
- insbesondere die Lehrkräfte-Ausbildung an sächsischen Universitäten muss
Inhalte zur Geschlechtersensibilität sowie der geschlechtlichen und
sexuellen Vielfalt verbindlich vermitteln, die Schulsozialarbeiter*innen
und Beratungslehrkräfte müssen in diesem Bereich systematisch gestärkt
werden
- die konsequente Umsetzung von bestehenden sächsischen Leitlinien zu
Vielfalt und politischer Bildung an unseren Bildungseinrichtungen,
insbesondere die aktive Auseinandersetzung mit ausschließenden
Denkmustern, die Akzeptanz und Wertschätzung im Umgang mit Vielfalt
- ein bedarfsgerechtes Angebot an Teilzeitausbildungen, u.a. für Menschen,
die Sorge- bzw. Care-Arbeit leisten
- geschlechtersensible Berufsorientierung bereits in den
Bildungseinrichtungen sowie wohnortnahe Ausbildungsmöglichkeiten für alle
Geschlechter zu stärken
- die Zugangsbeschränkungen für gesellschaftlich unterrepräsentierte Gruppen
zu Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten abzubauen
- die Abbildung der vielfältigen Lebenswirklichkeit von Menschen sowie die
Bedeutung von Geschlechtersensibilität und Antidiskriminierung im
Gesamtangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Breite der
Gesellschaft und alle Altersgruppen hervorzuheben, im Rahmen der
Bestimmung seines Auftrages.
5. Bessere wirtschaftliche Teilhabe, Entgeltgleichheit und geschlechtergerechtem
Strukturwandel
Hier gehts um Geld in jeder Hinsicht. Armut und Altersarmut ist auch in Sachsen
weiblich. Diese Armut entsteht auch durch ungleiche Verteilung der Sorgearbeit
und ungerechte Bezahlung. Und da Frauen für ihre Arbeit insgesamt schlechter und
weniger bezahlt werden, haben sie auch geringere Rentenansprüche. Wir haben in
den vergangenen Jahren einige Instrumente zur Stärkung neu- und
weiterentwickelt. Wir haben die Gründerinnenförderung gestärkt, bauen ein
Gründerinnennetzwerk auf und haben spezielle Förderungen für mehr weibliche
Beschäftigung aufgebaut. Dennoch ist es wichtig, weiter an der Beseitigung der
Strukturen zu arbeiten, die Frauen im Erwerbsleben benachteiligen und deren
gleichberechtigte Teilhabe in allen Ebenen und Bereichen verhindern. Frauen, die
mehr arbeiten wollen, sollen mehr arbeiten können und gerecht entlohnt werden.
Mechanismen, die sie speziell daran hindern, müssen abgebaut werden.
Auch die Arbeitswelt von queeren Menschen in Sachsen weist verbreitete Defizite
auf und ist jenseits gesellschaftlich offener, inklusiver und vielversprechender
Beispiele in einzelnen Branchen, Betrieben und Belegschaften geprägt von
Closeting (also dem Verbergen des Privatlebens und der wahren Identität),
ausschließenden Verhaltensmustern und Intoleranz am Arbeitsplatz. Der Wert von
Vielfalt in Unternehmen und öffentlicher Verwaltung wird überwiegend nicht
erkannt, sodass Abwanderung und Fachkräftemangel zusätzlich verstärkt werden.
Dem wollen wir BÜNDNISGRÜNE strukturell entgegentreten.
Deshalb fordern wir:
- die konsequente Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes für den öffentlichen
Dienst, um ein Vorbild für gute Gleichstellung für alle Tätigkeitsbereiche
Bereiche der Gesellschaft zu sein
- uns zusammen mit den Gewerkschaften für mehr tarifgebundene Arbeit
einzusetzen
- Entgeltungleichheit gesetzlich und praktisch durch Aufklärung und die
Anwendung durch Entgeltchecks zu bekämpfen
- insbesondere alleinerziehende Eltern und Frauen mit Migrationserfahrung
bei der wirtschaftlichen Teilhabe zu unterstützen
- die finanzielle Aufwertung von Sorgeberufen sowie bessere sozialrechtliche
Anerkennung häuslicher Sorge- bzw. Care-Arbeit
- einen geschlechtergerechten Strukturwandel in den Transformationsregionen
ohne einseitigen Abbau von Frauenbeschäftigung
- eine gezielte Förderung einer stereotypenfreien Berufswahl und den Abbau
struktureller Benachteiligungen für einzelne Geschlechter in einzelnen
Berufsfeldern, insbesondere für Mädchen und Frauen in MINT-Berufen (also
der Tätigkeit in Mathemaktik, Ingeneur-, Naturwissenschaften oder Technik)
und die gezielte Gewinnung von Jungen und Männern für soziale Berufe, in
Erziehungs- und Bildungswesen.
- den weiteren Ausbau der Betreuung von Kindern bis zum 12. Lebensjahr und
die Umsetzung des Betreuungsanspruchs ab Tag 1 seiner Geltung
- den Ausbau spezieller Gründerinnenförderung
- Betriebe, Belegschaften und Gewerkschaften zum Aufbau von Diversity-
Managementstrukturen auf, für qualifizierte Personalrät*innen,
Betriebsrät*innen und personalverantwortliche Stellen im Hinblick auf den
Umgang mit geschlechtlichen, sexuellen und weiteren Minderheiten in der
Belegschaft
- Innungen und Kammern, welche in ihrer Schlüsselrolle Verantwortung
übernehmen müssen, übergreifende Angebote sowie ein zentrales Diversity-
Management für ihre Branche anzubieten.
6. Gewaltschutz für alle Geschlechter
Ein Leben ohne Gewalt ist ein Menschenrecht, der Schutz vor Gewalt unsere
staatliche Verpflichtung.
Statistisch versucht in Deutschland jeden Tag ein Mann seine (Ex-)Partnerin
umzubringen und an jedem dritten Tag gelingt es ihm. Das 2011 getroffene
Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen
Frauen und häuslicher Gewalt, kurz Istanbul-Konvention, ist nach seiner
Ratifizierung 2018 auch in Deutschland in Kraft getreten und gilt damit auf
allen staatlichen Ebenen. Diese verpflichtet uns zum Ausbau unserer Strukturen.
Mit den letzten beiden Doppelhaushalten des Freistaates Sachsen konnte in der
Finanzierung des Gewaltschutzes mit einer Verdopplung der Mittel ein
Paradigmenwechsel eingeläutet werden. Wir bauen das Schutzsystem in allen
Bereichen kontinuierlich aus. Doch Sachsen ist noch nicht bei den von der
Istanbul-Konvention geforderten und notwendigen Strukturen angekommen.
Deshalb wollen wir:
- eine Gewaltschutzstrategie für das ganze Land, in der Kommunen und
Freistaat gemeinsam den bedarfsgerechten Ausbau des Schutzsystems und die
Gewaltprävention in allen Gesellschaftsbereichen verbindlich planen
- eine bedarfsgerechte Förderung des Schutzes vor häuslicher Gewalt und
Stalking, d. h. Beziehungsgewalt, sexualisierter Gewalt und weiterer
geschlechtsspezifischer Gewalt nach der Definition der Istanbul-Konvention
sowie den weiteren bedarfsgerechten und schrittweisen Ausbau der Frauen-
und Kinderschutzhäuser von derzeit 158 auf 400 Familienplätze
(Zweibettzimmer), mit mindestens 100 neuen Plätzen bis 2030
- den Ausbau eines gemeinsamen landesweiten Monitorings durch Polizei,
Justiz und Hilfestrukturen
- die Verbesserung der Angebote für unterrepräsentierte Gruppen wie EU
Bürger*innen, Geflüchtete, Sexarbeiter*innen, obdachlose oder behinderten
Frauen und Minderjährige sowie queere Jugendliche
- die systematische und obligatorische Schulung von Fachkräften aller
Professionen, die mit Betroffenen und Täter*innen geschlechtsspezifischer
Gewalt in Kontakt kommen und arbeiten
- den Ausbau der Beratungsinfrastruktur und von Angeboten psychosozialer
Hilfe für Gewalttäter*innen
- Ausbau der Präventionsarbeit zu Gewalt in der Familie
- ein Landesgewaltschutzgesetz, welches den einheitlichen Rechtsrahmen des
Bundes konkret ausgestaltet.