Veranstaltung: | 56. Landesversammlung |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 10. Weitere Anträge (V-Anträge) |
Antragsteller*in: | Landesvorstand GRÜNE JUGEND Sachsen (dort beschlossen am: 03.03.2023) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 03.03.2023, 16:38 |
V10: Für echte Sicherheit in Sachsen: Verfassungsschutz abschaffen, Polizei entmachten
Antragstext
Noch nie war leben in Deutschland so sicher, wie es heute ist; und dennoch
werden unsere Polizeidienste mit immer weitgehenderen Befugnissen und
finanziellen Mitteln ausgestattet. Der Trend der immer weiter steigenden
Ausgaben für Polizei und Verfassungsschutz setzt sich auch im sächsischen
Doppelhaushalt 23/24 fort. Ebenfalls steigt der Militarisierungsgrad der
sächsischen Polizei. Seit der letzten Novellierung des Polizeirechts 2019 ist
der Polizei unter anderem der Einsatz von Handgranaten und Maschinengewehren
erlaubt. Wir stellen uns gegen eine fortschreitende Militarisierung der Polizei.
Stattdessen muss in der polizeilichen Ausbildung deeskalativen Maßnahmen Vorrang
eingeräumt werden. Wir wollen Polizeiarbeit, die Grundrechte achtet und schützt,
statt diese auszuhöhlen.
Zudem ist die sächsische Polizei immer wieder wegen rechter und extrem rechter
Umtriebe in den eigenen Reihen in den Schlagzeilen. Ob Hakenkreuz-Fotos in
Chatgruppen, Teilnahme an unerlaubten verschwörungsideologischen
Demonstrationen, rassistischen Beleidigungen durch Polizeischüler*innen oder
Strafverfahren wegen Volksverhetzung – die Vorfälle sind mehr als ein Image-
Problem und es sind auch nicht nur Einzelfälle. Bürger*innen fehlt das Vertrauen
darin, zuverlässig von der Polizei geschützt zu werden. Regelmäßig schützt die
Polizei mit ihrem Verhalten beispielsweise Demonstrationen aus dem rechten und
verschwörungsideologischen Spektrum und macht antifaschistischen Gegenprotesten
das Leben schwer, sei es durch Routenänderungen, strengere Versammlungsauflagen
bis hin zur Kesselung. Die angekündigte Polizeikennzeichnung ist hier ein erster
Schritt hin zu mehr Transparenz.
Das Landesamt für Verfassungsschutz hat weitreichende Befugnisse zur Überwachung
der Bürger*innen, die es überwiegend unkontrolliert ausübt und so massenweise
Daten über Menschen zusammenträgt. Auch solcher, die sich für Demokratie und
Menschenrechte einsetzen. Nicht mal ein Minister und stellvertretender
Ministerpräsident ist davor gefeit. Immer wieder zeigt sich auch, dass die für
den Rechtsextremismus zuständigen Abteilungen offensichtlich Arbeitsverweigerung
betreiben. Im schlimmsten Fall finanziert das LfV sogar rechtsextreme Netzwerke
durch den Einsatz von V-Männern, wobei der Informationsgewinn marginal
erscheint. Oftmals sind antifaschistische Recherchenetzwerke bezüglich
rechtsextremer Aktivitäten besser informiert als der Verfassungsschutz. Dank des
fehlenden Reformwillens wurden viele strukturelle Probleme des LfV nicht
angegangen oder verschleppt und konnten sich über Jahre verfestigen. Der
Verfassungsschutz gehört in seiner jetzigen Form abgeschafft und durch eine dem
Parlament gegenüber rechenschaftspflichtige Behörde ersetzt.
Neben den strukturellen Problemen in der Polizei und im Verfassungsschutz werden
in Zeiten der Krisen die Löcher in sozialen Sicherheitsnetzen immer sichtbarer.
Doch sie sind nicht neu: Ein jahrzehntelanges Schleifenlassen von sozialen
Belangen hat dafür gesorgt, dass die Armen immer ärmer werden. Sachsen ist hier
als Niedriglohnsektor Deutschlands besonders betroffen. Es folgen
Perspektivlosigkeit und Frust.
Beispielhaft hierfür stehen junge Menschen, die sich in Innenstädten aufhalten,
da es für sie keine sonstigen Freiräume und Möglichkeiten gibt, weil das
Jugendzentrum nicht weiter finanziert werden konnte. Hier kommt dann häufig die
Polizei ins Spiel.Deren Aufgabe ist es jedoch nicht, eine verfehlte
Sozialpolitik zu korrigieren, um die vermeintliche öffentliche Sicherheit und
Ordnung vor den Jugendlichen zu bewahren – sie können nur Symptomen auf ihre
Weise begegnen. Wir Bündnisgrüne Sachsen fordern daher eine Sozialpolitik, die
für einen gesellschaftlichen Ausgleich sorgt und niemanden allein lässt.
Was wir brauchen, ist gute Präventionsarbeit und die sollte von Menschen getan
werden, die sich tatsächlich auskennen und nicht von Sicherheitsbehörden. Sie
muss insbesondere gefährdeten Jugendlichen mit geringen Bildungschancen sozialen
Halt und eine Alternative zu Kriminalität und rechtsextremen Gruppierungen
bieten. Den Jugendlichen müssen Perspektiven aufgezeigt werden und
extremistische Bestrebungen bei Jugendlichen sollten erkannt und bekämpft
werden, bevor sie sich entfalten können. Es ist viel schwieriger Leute aus
Kriminalität und Extremismus wieder raus zu bekommen als sie dort gar nicht erst
rein rutschen zu lassen.
Problemfälle müssen behoben werden, bevor ein polizeilicher Eingriff von Nöten
ist, deswegen muss die Finanzierung von solchen Projekten langfristig
gewährleistet sein.
Für uns als Bündnis 90/Die Grünen Sachsen ist klar, dass es für die Sicherheit
in Sachsen endlich tiefgreifende Veränderungen braucht. Wir fordern daher:
- Das Landesamt für Verfassungsschutz in der jetzigen Form abzuschaffen.
Stattdessen setzen wir uns für eine Behörde ein, die dem sächsischen
Landtag umfassend rechenschaftspflichtig ist und durch diesen kontrolliert
wird.
- Die Polizei des Freistaates Sachsen zu entmilitarisieren und verkleinern.
- Die freiwerdenden finanziellen Mittel für soziale Absicherung zu verwenden
sowie die Umsetzung einer Sozialpolitik, die für eine echte Angleichung
der Lebensverhältnisse sorgt.
- Früh ansetzende und umfassende politische Bildung, um Radikalisierung und
antidemokratischen Strömungen entgegenzutretensowie eine verstärkte
Förderung der Jugend- und Präventionsarbeit
- In der polizeilichen Ausbildung einen größeren Schwerpunkt auf
Demokratiebildung sowie deeskalative polizeiliche Strategien zu legen. Bei
Anzeichen von antidemokratischen und menschenfeindlichen Haltungen müssen
Polizeianwärter*innen sowie Polizeibedienstete aus dem Polizeidienst
entlassen werden.
Begründung
erfolgt mündlich
Änderungsanträge
- V10-1 (Landesvorstand GRÜNE JUGEND Sachsen (dort beschlossen am: 22.03.2023), Eingereicht)