Gesellschaftliche Vielfalt fördern und leben
Wenn Menschen nach Sachsen kommen, dann wollen sie nicht nur arbeiten, sie wollen auch hier leben. Wer diskriminiert wird, geht auf kurz oder lang wieder weg. Zugewanderte Menschen haben ein Anrecht auf Schutz vor Diskriminierung. Darum ist eine Kultur der Vielfalt und das Herstellen von gleichberechtigten Teilhabemöglichkeiten ungemein wichtig.
Mit Blick auf den Arbeitsmarkt bedeutet das zunächst, dass die Arbeitgeber*innen gute Bedingungen schaffen müssen: Hier geht es um Wertschätzung, Flexibilität und gute Bezahlung sowie eine entschiedene antirassistische Haltung durch die Unternehmensführung.
Für viele wird die Frage des Mit- oder Nachzuges von Familienangehörigen elementar bei der Entscheidung sein, ob und wohin sie auswandern. In der Regel wandern die Männer zuerst und die Frauen (und Kinder) ziehen nach. Für nachziehende Familienmitglieder sind die Wartezeiten für die Visa zum Familiennachzug sehr lang. In vielen dieser Punkte ist wieder die Ausländerbehörde, sind aber auch die Anerkennungsbehörden gefragt. Die zuständigen Behörden müssen zu Dienstleister*innen für Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen werden.
Sicherheit und Daseinsfürsorge für Neuzugewanderte gewährleisten
Die aktuelle Situation ist dringend verbesserungswürdig. Die akuten Belastungen der Kommunen sind enorm. Wir haben als Bündnisgrüne den Anspruch, Geflüchtete menschenwürdig unterzubringen und eine gute Integration zu gewährleisten. Skabies- und Diphtherievorfälle in Erstaufnahmeeinrichtungen im vergangenen Jahr zeugen von gefährlichen Mängeln bei den Unterbringungsbedingungen. Es fehlen Gewaltschutzkonzepte und hinreichende Bedingungen zum Schutz der Privatsphäre in den Einrichtungen. Auch sind trotz steigender Geflüchtetenzahlen Beratungs- und Betreuungsangebote für Geflüchtete nicht ausgebaut worden.
Rahmenbedingungen für Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Migrationsbiografie grundlegend verbessern
Es gilt zudem anzuerkennen, dass in der Integration zugewanderter Personen ein großes Potential für die Arbeitskräftegewinnung liegt. Es ist unvernünftig und zum Nachteil aller, dieses Potential zu verschwenden.
Fachkräftemangel ist längst kein Spezialproblem einzelner Wirtschaftszweige mehr, vielmehr liegt ein flächendeckender Arbeitskräftemangel in ganz Deutschland vor und die Tendenz ist noch besorgniserregender. Das Erwerbspotential in Deutschland würde, laut Prognosen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, ohne Wanderungen bis 2060 um ein Drittel sinken. Das Problem betrifft auch Sachsen akut und langfristig. Rund 100.000 freie Stellen im Freistaat gab es 2022. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt infolge des demographischen Wandels. Um den Fachkräftebedarf zu decken, sind sowohl Erwerbsmigration als auch die Ermöglichung des Spurwechsels von bereits in Sachsen lebenden Menschen mit Fluchtbiografie notwendig.
Aufenthaltsrecht als Schlüssel zur Erwerbstätigkeit nutzen – Arbeit der Ausländerbehörden verbessern
In Sachsen leben knapp 12.000 Personen im Besitz einer Duldung. Viele Arbeitgeber*innen scheuen die Einstellung von lediglich geduldeten Menschen, da die Gefahr einer Abschiebung besteht oder die Ausländerbehörde die Beschäftigungserlaubnis entziehen kann.
Der Spurwechsel in Ausbildungsduldung, Beschäftigungsduldung oder Aufenthalt wegen guter Integration (§§ 25a und 25b AufenthG) gelingt in Sachsen nur wenigen: Nur 218 Personen haben (mit Stand 30.06.2022) eine Ausbildungsduldung und 149 Personen eine Beschäftigungsduldung. Das sind nur 3 % der Betroffen. Daneben werden im Schnitt knapp 100 Aufenthaltserlaubnisse (nach den §§ 25a und b AufenthG) im Jahr in Sachsen erteilt.
Mit dem Inkrafttreten des Chancenaufenthaltsgesetzes am 01.01.2023 hat die Bundesregierung einen Paradigmenwechsel begonnen. Das Schlagwort heißt Chance. Alle diejenigen, die sich in unsere Gesellschaft integrieren, sollen die Chance erhalten, hier ein neues Leben zu beginnen. Die Bunderegierung schätzte in ihrem Gesetzesentwurf, dass ca. 40% der Geduldeten von der Neuregelung profitieren werden. In Sachsen wären das ca. 4.700 Menschen.
Mit Blick auf die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten dürfen wir nicht vernachlässigen, dass viele, insbesondere geduldete Menschen auf dem Arbeitsmarkt in gefährliche Abhängigkeitsverhältnisse geraten können. Der Druck, die Ausbildungsstelle oder den Arbeitsplatz zu behalten, ist viel größer, da die Konsequenz Abschiebung beängstigend ist. Menschen in dieser Lebenslage sind gefährdeter durch Lohndumping, schlechte soziale Absicherung und mangelnde Arbeitsschutzstandards.
Menschen mit Migrationshintergrund, die auf Grund von Erwerbsmigration zugezogen sind, haben eine hohe Beschäftigungsstabilität; das Risiko arbeitslos zu werden, bzw. Sozialleistungen zu beziehen, ist bei dieser Personengruppe gering. Das sind gute Nachrichten und sie sollten uns anspornen, dass wir uns im Wettbewerb um kluge Köpfe nicht allzu sehr darauf verlassen, dass allein Deutschland als „Pull-Faktor“ ausreicht. Es gibt leider viele Hürden für Fachkräfte, um (ausgerechnet) nach Sachsen einzuwandern und noch mehr Hürden, um zu bleiben.
Bürokratische Hürden abbauen und Zugänge zum Arbeitsmarkt eröffnen
Eine der großen Hürden ist der Nachweis der Gleichwertigkeit zu einem Referenzberuf in Deutschland. Das ist bereits deshalb schwer, da das deutsche Berufsbildungssystem im internationalen Vergleich als zu anforderungsreich erscheint. Weiterhin ist das Anerkennungsverfahren sehr aufwendig. Die Nachweisführung zu bisherigen Qualifikationen wird restriktiv gehandhabt.
Zeitaufwand und auch die Kosten des Anerkennungsverfahrens sind für die Betroffenen abschreckend. Das wird auch von Arbeitgeber*innen bemängelt. Insbesondere kleineren und mittleren Betrieben fehlen die Ressourcen, um den hohen bürokratischen Aufwand zu stemmen.
Anmerkung zum Verfahren: Die Globalalternative enthält nach Abstimmung mit allen Änderungsantragsstler*innen den gemeinsamen Konsens. Inhaltlich entsprich er dem Ursprungsantrag, ergänzt um die wertvollen Punkte von Kassem und Stanislav. Strukturell haben wir den Vorschlag von Andrea (Erste eingereichte Globalalternative) übernommen. Wir danken allen Mitwirkenden, die dazu beigetragen haben, diesen Antrag noch besser zu machen.